Faber-Castell - Eine deutsche Adelsfamilie schreibt Geschichte
von Philipp Steiner
Die Wurzeln der traditionsreichen Stifte von Faber-Castell gehen auf das Gründerjahr 1761 zurück. Heute in der neunten Generation geführt erzählt sich die Familiengeschichte der Marke wie eine Romanvorlage. Und tatsächlich wurde aus dem Stoff bereits Geschichte geschrieben.
Die grösste Farbstiftfabrik der Welt
Diese befindet sich heute im brasilianischen Sao Carlos, und produziert jährlich 1.5 Milliarden Stifte für Faber-Castell. Die besonders für seine Qualität bekannte Marke ist verantwortlich für Produkte, wie etwa die Polychromos Künstlerfarbstifte, die Aquarellstifte der Linie Albrecht Dürer sowie die Pitt Artist Pens. Weniger präsent ist, dass ein Grossteil der Produktion zu Zeiten auch in Rechenstäbe verlief. Bevor wir nun in die über 250-jährige Geschichte eintauchen, aber erst ein kurzer Einblick, wie Faber-Castell überhaupt Stifte herstellt.
Geschichte der Familie Faber-Castell
Bildquellen: Faber-Castell
Fundament der Bleistiftfabrik Faber (1. und 2. Generation)
Die Geschichte von Faber-Castell begann mit dem Schreiner Kasper Faber (1730-1784), der sich ab 1761 in der Ortschaft Stein mit einer kleinen Werkstatt selbständig machte. Im Umland von Nürnberg hatten sich zu der Zeit bereits etliche Handwerksbetriebe etabliert.
Seinem Sohn Anton Wilhelm Faber (1758-1819) konnte er einen ansehnlichen Betrieb vererben, der durch diesen weiterhin florierte. Ihm gelang dann auch der Kauf eines Grundstücks samt Werkstatt am Rande der Ortschaft, auf dem der heutige Stammsitz der Firma begründet wurde.
Bildung in unruhigen Zeiten (3. Generation)
In eine schwierige Zeit wurde Georg Leonhard Faber (1788-1839) geboren. Er und seine Ehefrau Sophia Kupfer (1790-1845) fanden sich in einem unruhigen Europa, voller politischen und wirtschaftlichen Konflikte geprägt. Ein Rückgang der Geschäftstätigkeiten konnte nicht verhindert werden. Glücklicherweise erkannte er besonders dann, dass Bildung und Berufserfahrung ein wichtiger Faktor für den zukünftigen Erfolg sein werden, und schickt seinen Sohn Lothar nach Paris und London.
Dank Modernisierung zum Bleistiftbaron
(4. Generation)
Diesem klugen Entscheid seiner Eltern und einem ehrgeizigen Anspruch an sich selbst verdankt Freiherr Lothar von Faber (1817-1896) die äusserst erfolgreiche Kehrtwende. Handwerk und Ideenreichtum erlangte er in Schreibwarenunternehmen in den damaligen Handelsmetropolen Paris und London, und modernisierte mit diesem Wissen die Firma von Grund auf.
Er sicherte sich Abbaurechte von hochwertigem Graphit in Sibirien und kann dank modernster Produktionstechnik Stifte von ausgezeichneter Qualität herstellen. Zwischenhändler schuf er ab und baute über die Jahre persönlich ein internationales Handelsnetzwerk mit Niederlassungen in Paris, New York, London, Wien und St. Petersburg. Zeitgleich wird das weltweit grösste Rechenstab-Werk entwickelt.
Die Stifte wurden alsbald so erfolgreich, dass zahlreiche Imitationen entstanden. Als Reaktion erhielten diese den Firmennamen aufgedruckt, worauf der erste Markenbleistift entstand. Später setzte er sich “zur Schaffung eines Markenschutzgesetzes” ein und gilt als wichtiger Wegbereiter des heutigen gesetzlichen Grundlagenwerks.
Zudem stand er durch ein aussergewöhnlich soziales Engagement heraus, gründete 1844 eine der ersten Betriebskrankenkassen in Deutschland, und unterstützte den Bau der ersten Kindergärten und Schulen sowie Werkswohnungen und einer Kirche. Für seine grossen wirtschaftlichen und sozialen Dienste wird er geadelt und 1881 in den “erblichen Freiherrnstand” erhoben.
Eine besondere Rolle spielte in all dem auch dessen Ehefrau Ottilie von Faber (1831-1903), welche mit Begabung und diplomatischen Geschick die sozialen Verbindungen pflegte. Sie war als Miteigentümerin in die geschäftlichen Vorgänge eingeweiht und bereitete den einzigen Sohn Wilhelm, und später ihre drei Enkeltöchter, durch liebevolle aber strenge Hand auf die zukünftige Führungsverantwortung vor.
Eine besondere Rolle spielte in all dem auch dessen Ehefrau Ottilie von Faber (1831-1903), welche mit Begabung und diplomatischen Geschick die sozialen Verbindungen pflegte. Sie war als Miteigentümerin in die geschäftlichen Vorgänge eingeweiht und bereitete den einzigen Sohn Wilhelm, und später ihre drei Enkeltöchter, durch liebevolle aber strenge Hand auf die zukünftige Führungsverantwortung vor.
Ein Bruch in der männlichen Erbfolge (5. Generation)
Als einziger Nachkomme von Lothar und Ottilie wurde Wilhelm von Faber (1876-1893) intensiv auf seine zukünftige Führungsrolle vorbereitet, bereiste Italien und Frankreich und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in der Schweiz. Ihm und seiner Frau Bertha werden fünf Kinder geboren, drei Töchter und zwei Söhne.
Letztere sterben jedoch beide in Kindesalter an Infektionskrankheiten. Umso tragischer ist dann der frühzeitige Tod von Wilhelm mit nur 41 Jahren an einem Herzinfarkt. Für die nun adlige Familie ein Schicksalsschlag, so steht sie ohne männliche Erben da. Die Firma geht nach dem Tod von Lothar von Faber 1896 an dessen Witwe Ottilie über.
Vereinigung zu Faber-Castell (6. Generation)
Der Grossvater Lothar von Faber gründete eine Stiftung, um seinen umfangreichen Grundbesitz unteilbar und unveräusserlich an künftige Generationen zu vererben. Stiftungsinhaber sollte jeweils der älteste, männliche Nachkomme sein.
Da die männliche Linie mit Wilhelm ausgestorben war ging die Stiftung an dessen älteste Tochter, Ottilie Faber (1877-1944). Deren Grossmutter mit demselben Namen holte die damals 16-Jährige aus ihrer Ausbildung heraus und bereitete sie so gut wie möglichst auf die Vorstandsfunktion des Familienunternehmens vor.
Da die männliche Linie mit Wilhelm ausgestorben war ging die Stiftung an dessen älteste Tochter, Ottilie Faber (1877-1944). Deren Grossmutter mit demselben Namen holte die damals 16-Jährige aus ihrer Ausbildung heraus und bereitete sie so gut wie möglichst auf die Vorstandsfunktion des Familienunternehmens vor.
Die junge Ottilie bewies sich dabei als besonders geschickt und konnte sich in der Männerdomäne beweisen. Um dem testamentarischen Wunsch ihres Grossvaters allerdings zu entsprechen und die Inhaberschaft der Stiftung zu übernehmen, musste sie einen Angehörigen von erblichem Adel heiraten.
Als junge, schöne und äusserst reiche Erbin fand sie diesen im tüchtigen Alexander Graf zu Castell-Rüdenhausen (1866-1928) aus einem der ältesten Adelshäusern Deutschlands. Die beiden gründeten gemeinsam das neue Grafengeschlecht von Faber-Castell, bauten sich ein repräsentatives Schloss nahe der Fabrikanlage und bauten die Firma weiterhin erfolgreich aus.
Auf diese Zeit geht die Marke Castell mit dem Motiv des Ritterturniers, das grüne Bleistiftsortiment sowie der Künstlerstift “Polychromos” zurück. 1911 wurde das 150-jährige Firmenbestehen mit 2’000 Arbeitern und 200 leitenden Angestellten bei 100’000 Kunden aus aller Welt gefeiert.
Der erste Weltkrieg brach aus und Graf Alexander von Faber-Castell wurde als Offizier in Belgien stationiert. Das Ehepaar entfremdete sich und liess sich 1918 voneinander scheiden. Fünf Kinder gingen aus der gemeinsamen Ehe hervor.
Ottilie von Faber-Castell - Biographische Werke
Der Stoff um die Begründerin einer der einflussreichsten Familiendynastien Deutschlands wurde bereits vermehrt biographisch aufgearbeitet.
Ein erst kürzlich erschienener Spielfilm zeigt die junge Unternehmerin in einer der prägendsten Phasen der Familiengeschichte. Als Vorlage dazu diente die Romanbiographie “Eine Zierde in ihrem Hause” von Asta Scheib, welche die Alleinerbin im Mittelpunkt glanzvoller Gesellschaften in der Weltuntergangsstimmung am "Fin de siècle" beschreibt.